Zum Inhalt springen

FM-Solutionmaker: Gemeinsam Facility Management neu denken

Betriebsgastronomie: Gefährdungsbeurteilung

Facility Management: Betriebsgastronomie » Strategie » Betreiberverantwortung » Gefährdungsbeurteilung

Gefährdungsbeurteilung zum Thema Betriebsgastronomie

Gefährdungsbeurteilung zum Thema Betriebsgastronomie

In vielen Unternehmen gehört eine Betriebsgastronomie (Betriebskantine, Cafeteria, Kantine, Kantinenküche, Catering-Bereich) zum festen Bestandteil der betrieblichen Infrastruktur. Ob selbst betrieben oder von einem externen Catering-Dienstleister, stellen sich im Hinblick auf den Arbeitsschutz und die Lebensmittelsicherheit diverse Fragen. Unter anderem: Ist für die Betriebsgastronomie eine Gefährdungsbeurteilung notwendig? Und wenn ja, warum?

Ja, eine Gefährdungsbeurteilung für die Betriebsgastronomie ist verpflichtend, da es sich um Arbeitsplätze mit teils hohen gesundheitlichen Risiken (Hitze, scharfe Werkzeuge, Rutschgefahr, Umgang mit Gefahrstoffen, Zeitdruck) handelt. Typische Gefährdungen sind Verbrennungs-, Verbrühungs-, Schnitt-, Rutsch- und Sturzunfälle, Kontakt mit Reinigungschemikalien, Brand- und Explosionsgefahren, psychische Belastungen. Wesentliche Maßnahmen sind Technische Schutzmaßnahmen (rutschhemmende Böden, Brandschutz, Absauganlagen), organisatorische Regelungen (Hygiene- und Reinigungspläne, Unterweisungen, Wartungen), persönliche Schutzmaßnahmen (PSA, Gesundheitsvorsorge).

Die Betriebsgastronomie ist ein eigenständiger Arbeitsbereich, in dem vielfältige Gefährdungen (Hitze, Schnittverletzungen, Rutschgefahr, Reinigungschemikalien, Brandrisiken) auftreten können. Gemäß § 5 ArbSchG und ArbStättV sowie den DGUV-Vorschriften muss daher eine Gefährdungsbeurteilung erstellt und fortgeschrieben werden. Eine durchdachte Einbindung von HACCP-Konzepten und Arbeitsschutz-Vorgaben sichert nicht nur die gesundheitliche Unversehrtheit der Küchenteams, sondern dient auch der Qualität der Speisen und dem positiven Image der Betriebsgastronomie.

Rechtliche Rahmenbedingungen der Betriebsverlegung

Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG)

  • § 5 ArbSchG schreibt vor, dass Arbeitgeber für alle Tätigkeiten und Arbeitsbereiche eine Gefährdungsbeurteilung durchführen müssen.

  • Dies gilt uneingeschränkt auch für Küchen-, Service- oder Ausgaberäume in der Betriebsgastronomie, in denen regelmäßig Beschäftigte tätig sind.

Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV)

  • Betriebliche Küchen, Kantinen, Pausen- und Essbereiche gelten als Arbeitsstätten, sofern dort Personen beschäftigt sind.

  • Nach § 3 ArbStättV (Gefährdungsbeurteilung) sind Anforderungen an Sicherheit, Gesundheitsschutz, Hygiene, Lüftung, Beleuchtung und Ergonomie zu berücksichtigen.

  • Besonders relevant können die Technischen Regeln für Arbeitsstätten (ASR) sein, etwa die ASR A1.5/1,2 (Fußböden), ASR A3.4 (Beleuchtung), ASR A3.6 (Lüftung) oder ASR A4.1 (Sanitärräume).

DGUV Vorschriften

  • DGUV Vorschrift 1 „Grundsätze der Prävention“: Hier wird der allgemeine Grundsatz festgelegt, alle Gefahrenbereiche im Betrieb systematisch zu ermitteln und zu beurteilen.

  • Branchenspezifische Vorschriften oder Regeln (z. B. DGUV Regel 110-002 „Branche Küchenbetriebe“) geben konkrete Hinweise zur Küchenarbeit, Ausgabetätigkeiten und Umgang mit Lebensmitteln.

Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV)

  • Für den Einsatz von Maschinen, Geräten und sonstigen Arbeitsmitteln in der Küche (z. B. Kippbratpfannen, Konvektomaten, Spülmaschinen) ist eine Gefährdungsbeurteilung vorgeschrieben.

  • Technische Regeln für Betriebssicherheit (TRBS) konkretisieren die Anforderungen an sicherheitstechnische Prüfungen und Schutzmaßnahmen.

Lebensmittelrecht (Lebensmittelhygiene-Verordnung, IfSG etc.)

  • Verordnung (EG) Nr. 852/2004 (Hygiene der Lebensmittel) und deren Umsetzung in deutsches Recht (Lebensmittelhygiene-Verordnung – LMHV).

  • Betriebe, die Speisen herstellen oder ausgeben, müssen ein HACCP-Konzept (Hazard Analysis and Critical Control Points) anwenden, um die Lebensmittelsicherheit zu gewährleisten.

  • Infektionsschutzgesetz (IfSG): Persönliche Hygiene, Belehrungspflichten für Personal, das mit Lebensmitteln umgeht (§ 43 IfSG).

  • Auch wenn HACCP nicht unmittelbar ein Arbeitsschutzinstrument ist, bestehen hier Überschneidungen, etwa beim Umgang mit Desinfektionsmitteln oder Reinigungschemikalien.

Fazit

Sowohl das Arbeitsschutzrecht (ArbSchG, BetrSichV, DGUV) als auch das Lebensmittelrecht (HACCP, LMHV) machen eine Gefährdungsbeurteilung für den Küchen- und Gastrobereich zwingend erforderlich.

Hohe Unfall- und Gesundheitsgefahren in Küchen

  • Umgang mit heißen Oberflächen (Herd, Grill, Fritteusen), heißem Wasser und Dampf, scharfen Messern und Küchenwerkzeugen → Verbrennungs-, Verbrühungs-, Schnittverletzungs- und Rutschgefahr.

  • Rutschige Fußböden durch verschüttete Flüssigkeiten oder Fett → Stolper- und Sturzrisiken.

  • Einsatz von Reinigungs- und Desinfektionsmitteln (chemische Gefährdungen).

Organisation und Personal

  • Hoher Arbeitsdruck zu Stoßzeiten (Mittagspause etc.) → Stress und psychische Belastung.

  • Schicht- und Wochenenddienste (ggf. in großen Betrieben) → arbeitszeitrechtliche Aspekte.

  • Qualifikation und Unterweisungen sind speziell auf Küchenarbeit, Hygienemaßnahmen und HACCP-Prozesse auszurichten.

Brand- und Explosionsgefahr

  • Offene Flammen (Gasherde, Bunsenbrenner, flambierte Speisen) in Küchen.

  • Fettbrände (Fritteusen) erfordern spezielle Feuerlöscher (Fettbrandlöscher).

  • Absauganlagen (Dunstabzugshauben) können sich bei mangelnder Reinigung entzünden.

Einsatz von Arbeitsmitteln

  • Maschinen wie Kutter, Mixer, Rührmaschinen, Spülmaschinen, Konvektomaten – jeweils mit beweglichen oder heißen Teilen und entsprechendem Verletzungspotenzial.

  • Nach BetrSichV muss jede neue oder wesentlich veränderte Maschine in die GBU einbezogen werden.

Lebensmittelhygiene und Infektionsschutz

  • Schutz vor Lebensmittelinfektionen (Bakterien, Viren).

  • Strenge Personal- und Betriebshygiene (Händewaschen, -desinfektion, regelmäßige Belehrungen gemäß IfSG).

  • Schnittstellen zum Arbeitsschutz bestehen beim Umgang mit Desinfektionsmitteln, bei Schutzausrüstung (Handschuhe, Schürzen) und ggf. bei mikrobiologischen Risiken.

Ergonomie und physische Belastungen

  • Langandauerndes Stehen, Heben schwerer Lasten (Kisten, Töpfe, Racks mit Geschirr).

  • Ggf. monotone Bewegungsabläufe (Portionieren, Schneiden), schlechte Arbeitshöhe.

  • Muskel-Skelett-Belastungen.

Psychische Belastungen

  • Stress, Zeitdruck (v. a. zu Stoßzeiten), hohe Serviceanforderungen.

  • Umgang mit Reklamationen, Konflikte im Team.

DGUV Regel 110-002 „Branche Küchenbetriebe“

  • Konkrete Präventionsmaßnahmen für Küchen, insbesondere Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz.

  • Enthält umfangreiche Empfehlungen zu Einrichtung, Arbeitsmitteln, Hygiene, Organisatorischem.

DIN EN 1672 (Maschinen für Lebensmittelverarbeitung)

  • Anforderungen an Hygiene und Sicherheitsausstattung von Küchengeräten.

DIN 10514–10519 (Lebensmittelhygiene)

  • Regelungen zur Personalhygiene (DIN 10514) und zur Reinigung und Desinfektion von Küchen (DIN 10516).

HACCP-Grundsätze (Codex Alimentarius)

  • International anerkannter Standard für Lebensmittelsicherheit.

  • Erfordert eine Gefahrenanalyse (u. a. mikrobiologische, chemische Risiken) und die Definition von kritischen Kontrollpunkten (CCP).

Verordnung (EU) 2016/425 (PSA)

  • Betrifft persönliche Schutzausrüstung in Europa. Relevant für Schutzhandschuhe, Schutzschuhe (rutschhemmend), Schürzen.

Erfassen der Tätigkeiten und Bereiche

  • Küchenbereich (Vorbereitung, Kochen, Spülen, Lagerung von Lebensmitteln).

  • Servicebereich (Ausgabe, Theke, Kasse, Buffet).

  • Lager (Kühlhaus, Tiefkühler, Trockenlager).

  • Anlieferung und Entsorgung (Müllentsorgung, Abwasser).

  • Büroarbeitsplätze (Bestellwesen, Verwaltung) → weniger Gefährdung, aber trotzdem inkludieren.

Identifikation und Bewertung der Gefährdungen

  • Physische und chemische Risiken (Hitze, heißes Fett, Reinigungsmittel, Stolperstellen).

  • Biologische Gefährdungen (Lebensmittelinfektionen, Infektionsschutz).

  • Brand- und Explosionsgefahren (Gasherde, Fettbrand).

  • Ergonomische und psychische Faktoren (Heben/Tragen, Zeitdruck, Lärm, Kundenkontakt).

  • Bei gemischten Zuständigkeiten (externer Caterer vs. Unternehmensverantwortung) die Schnittstellen klären.

Festlegen von Schutzmaßnahmen

  • Technische Maßnahmen: rutschhemmende Böden, Abzugshauben, Fettauffangsysteme, Fettdämpfe absaugen, Fettbrandlöscher, Abschirmungen an Geräten, Not-Aus-Schalter, Brandschutzkonzept.

  • Organisatorische Maßnahmen: klare Arbeitsanweisungen (z. B. HACCP-Pläne), regelmäßige Schulungen, Hygieneregeln, Prüf- und Wartungsintervalle für Geräte.

  • Personelle Maßnahmen: PSA (rutschhemmende Arbeitsschuhe, Hitzeschutz-Handschuhe, Schürzen), Unterweisungen zu Sicherheits- und Hygienethemen, arbeitsmedizinische Vorsorge (ggf. G 20 Lärmarbeit, G 25 Fahr-, Steuer- und Überwachungstätigkeiten, G 37 Bildschirmarbeit, falls relevant).

Dokumentation

  • § 6 ArbSchG: Ergebnisse, Maßnahmen und Verantwortlichkeiten schriftlich oder digital festhalten.

  • Integration in bestehende HACCP-Dokumentation ist sinnvoll, damit es keine Doppelarbeit gibt.

  • Ergänzung durch Prüfbücher oder Wartungsdokumentationen für Küchengeräte.

Wirksamkeitskontrolle und Aktualisierung

  • Regelmäßige Überprüfung der Maßnahmen (mindestens einmal jährlich oder bei wesentlichen Änderungen wie neue Geräte, Umbau).

  • Einbeziehung von Mitarbeitern (z. B. Köche, Küchenhilfen, Servicekräfte) und Fachkräften (Sicherheitsfachkraft, Betriebsarzt).

Externe Caterer

  • Wenn ein externer Dienstleister die Betriebskantine betreibt, muss klar sein, wer (Arbeitgeber oder Caterer) welche arbeitsschutzrechtlichen Pflichten hat (Stichwort: Unternehmer- oder Betreiberverantwortung).

  • Oft wird per Vertrag vereinbart, dass der Caterer die GBU für den Küchenbereich durchführt und verantwortet, während der Arbeitgeber für Bauliches (z. B. Brandschutz, Lüftung) zuständig bleibt.

Schnittstelle Arbeitsschutz – Lebensmittelhygiene

  • HACCP konzentriert sich auf die Lebensmittelsicherheit; Gefährdungsbeurteilung zielt auf Arbeitssicherheit und Gesundheit der Beschäftigten ab. Beides ist eng verzahnt:

  • Beispiel: Reinigungs- und Desinfektionspläne (Hygiene) vs. GefStoffV-Anforderungen (Umgang mit Chemikalien).

  • Eine sinnvolle Praxis ist die Verknüpfung beider Systeme, um Doppelarbeit zu vermeiden.

Arbeitszeit- und Schichtplanung

  • Gerade in großen Küchen kann es zu unregelmäßigen Arbeitszeiten und Schichtwechseln kommen (Frühstück, Mittag, Abend, Wochenendevents).

  • Das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) ist zu beachten (Höchstgrenzen, Pausenzeiten, Ruhezeiten).

Brand- und Explosionsschutz im Detail

  • Prüfung, ob eine Ex-Schutz-Beurteilung erforderlich ist (z. B. bei großen Lagermengen brennbarer Reinigungsmittel oder alkoholischer Getränke).

  • Regelmäßige Reinigung der Dunstabzugshauben und Lüftungskanäle, um Fettrückstände zu entfernen (hohe Brandlast).

Ergonomie und Gesundheitsförderung

  • Höhenverstellbare Arbeitsflächen in der Vorbereitungsküche, Anti-Ermüdungsmatten, ausreichende Beleuchtung, Temperaturoptimierung.

  • Angebote für Rückenschule, ergonomische Beratung, um häufigen Muskel-Skelett-Erkrankungen vorzubeugen.

Psychische Belastung

  • Stoßzeiten, Zeitdruck und Kundenkontakt können Stress verursachen.

  • Gute Personalplanung, Kommunikation und Pausenregelung tragen zur Reduzierung psychischer Belastungen bei.